Ein Versteckspiel kann spannend und aufregend sein. Findet einen der Sucher? Hat man das passende Versteck gewählt? Wie lange ist man sicher?
Aber noch spannender wird das Spiel, wenn es um Leben und Tod geht.
Diana hatte sich unter einem Versteckspiel definitiv etwas anderes vorgestellt.

Diana saß in ihrem Versteck und presste sich beide Hände vor den Mund. Sie hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Ihr Boxspringbett konnte man auf beiden Seiten anheben. Darunter befanden Stauräume für Bettzeug, Gewand, Decken und alles was sie nicht brauchte. Es war eine verdammt enge, heiße und luftknappe Angelegenheit da drinnen zu liegen. Als Ablenkung hatte sie noch ihr Fenster geöffnet. So konnte die Möglichkeit bestehen, dass sie über den Balkon raus ist.
„Wo bist du mein Schatz?“, rief eine männliche Stimme quer durch das Haus.
Sie hörte wie er die Klappe zum Dachboden öffnete und hinauf ging. Sie überlegte, ob ihr genügend Zeit bleiben würde um jetzt weg zu laufen. Aber sie müsste an der offenen Klappe vorbei und runter in den ersten Stock.
„Bist du hier oben Liebling?“, hörte sie seine stumpfe Stimme.
Dann hörte sie zwei Schüsse aus einer Waffe.
„Versteckst du dich unter der Dämmwolle?“
>Als wäre ich so blöd und mich am Dachboden zu verstecken<, dachte sie sich und rollte dabei die Augen.
Sie begann langsam wirklich zu schwitzen. Die Winterdecken und Winterpullis rund um ihr waren nicht sehr hilfreich.
>Irgendwann geht er. Mit Sicherheit!<, versuchte sie sich selbst gut zu zureden.
Sie hörte noch ein paar Schüsse und wie jemand die Kisten oben mit den Füßen herum schob.
Diana fragte sich, wie es so weit kommen konnte, was da schief gelaufen ist und vor allem wann es derart aus dem Ruder gelaufen ist. Als sie sich kennen lernten, standen sie beide fest im Leben. Sie hatten einen tollen Job, waren viel auf Reisen und keine Probleme. Ja, es gab Streitereien, aber das waren Peanuts. Worüber man sich halt so streitet. Wäsche die neben dem Wäschekorb liegt, Geschirr das seinen Weg nicht in den Spüler findet und vergessene Geburtstage von Familienmitgliedern. Das war aber alles kein Weltuntergang. Kleinigkeiten eben.
„Ich weiß, dass du hier irgendwo bist!“, schrie er.
Sie hörte, dass er die Treppe vom Dachboden wieder herunter kam und in den begehbaren Kleiderschrank neben dem Schlafzimmer ging.
>Corona<, flüsterte sie zu sich selbst.
Die Veränderungen begannen mit Corona. Er wurde in Kurzarbeit geschickt und sie war im Home-Office. Die erste Zeit war es nicht so schlimm. Er beteiligte sich am Haushalt, ging einkaufen und kochte schon mal.
Der Wendepunkt kam, als ihm seine Firma kündigte. Diana sah es nicht als Katastrophe. Sie verdiente in ihrem Job genug um alles zu bezahlen. Eine Zeit lang war er auch aktiv auf Arbeitssuche.
Es hämmerte gegen die Schlafzimmertür und Diana's Herz setzte für einen Moment aus.
„Bist du da drinnen?“
Er versuchte die Tür zu öffnen. Rüttelte an der Türklinke herum und hämmerte mit seiner Faust dagegen.
„Okay! Eins, zwei, drei, ich komme!“, rief er und trat die Tür mit seinem Fuß ein.
Es machte einen derartigen Knall, dass Diana beinahe vor Schreck aufgeschrien hatte. Sie schnappte sich einen ihrer Pullis und stopfte sich einen Ärmel in den Mund.
>Halt einfach den Mund! Sei leise!<, schrie ihre innere Stimme.
Dann hörte sie schnelle Schritte in Richtung Fenster.
„Verdammte Scheiße!“, schrie er.
Seine Schritte entfernten sich vom Schlafzimmer und sie hörte, wie er die Treppe ins Erdgeschoss runter trampelte.
>Jetzt oder nie!“, dachte sie.
Als sie die Matratzen nach oben hob, musste sie erst mal tief durchatmen. Ihre Haare klebten am Gesicht und ihr Kopf war ziemlich rot. Langsam schlich sie aus dem Schlafzimmer in Richtung Treppe. Sie hörte wie er die Haustür aufriss und nach draußen lief.
„Ich krieg dich!“, schrie er.
Diana ging langsam hinunter in die Küche und holte sich ein Messer aus der Bestecklade. Dann ging sie Richtung Haustür.
„Wo bist du?“, schrie er.
Diana zuckte zusammen. Er war schon wieder auf dem Weg retour. Panisch sah sie sich um.
>Wo soll ich hin? Wohin? Wohin?<, ratterte es in ihrem Kopf.
>Abstellraum! Sofort!<, rief ihre innere Stimme.
Sie versteckte sich hinter einem der Regale wo die meisten Kisten drauf standen. Sie hatte im Abstellraum nicht nur Lebensmittel sondern auch haufenweise Kisten mit Sachen aus ihrer Kindheit. Diana war in diesem Punkt etwas penibel. Sie konnte sich schwer trennen, also sortierte sie alles in Kisten, beschriftete sie und stapelte sie auf den Regalen. Das war manchmal ein Streitpunkt.
'Ich habe gar keinen Platz im Haus'; 'Du hortest unnötiges Zeug'; 'Werd erwachsen';
Nach seiner Kündigung fühlte er sich in jedem Punkt und bei allem was sie tat angegriffen und benachteiligt. Er war das Opfer seiner Firma und von ihr. Keiner wollte ihn. Keiner hatte Platz für ihn. Und keiner würde ihn verstehen. Nach 3 Jahren Opferrolle und Selbstmitleid hatte Diana die Nase voll. Sie schmiss ihn raus und er musste zu seinen Eltern in den Keller ziehen.
„Komm raus, komm raus, komm raus!“, rief er und schmiss die Haustür hinter sich zu.
Diana presste wieder ihre Handy gegen ihren Mund.
>Verdammt! Das Bett!<, schoss es in ihrem Kopf.
Sie achtete angestrengt auf seine Schritte, aber sie hörte sie nicht mehr. Sie achtete auf noch so jedes kleine Geräusch. Aber da war nichts mehr. War er weg?
>Vielleicht ist er draußen geblieben?<, fragte sie sich.
Diana blieb sehr lange im Abstellraum hinter den Regalen sitzen. Sie wusste aber nicht, wie viel Zeit vergangen war. Als ihr irgendwann die Beine drohten einzuschlafen, stand sie vorsichtig auf.
Sie hörte keinen Mucks mehr. Eine Weile blieb sie noch stehen, dann schlich sie langsam zu der Tür und spähte aus dem Spalt hinaus.
Dann hörte sie ein knacksen und rauschen.
„Ist das dass Haus?“, sagte eine männliche Stimme.
„Ja, hier sind wir richtig!“, antwortete eine andere männliche Stimme.
Dann ein klopfen gegen die Haustür.
„Ma'm? Hier ist die Polizei! Öffnen sie bitte die Tür!“, rief ein Mann.
Diana blieb wie angewurzelt stehen.
>Woher wissen die, was hier abgeht?<, fragte sie sich.
„Ma'm! Bitte öffnen sie die Tür. Wir müssen sie ansonsten gewaltsam öffnen!“, rief wieder eine männliche Stimme.
>Die Nachbarn! Sie haben sicher die Schüsse gehört.<, dachte sie erleichtert.
Vorsichtig kam sie aus dem Abstellraum heraus. Sie ging den Flur entlang Richtung Haustür.
„Ma'm?“, hörte sie eine männliche Stimme.
Instinktiv drehte sie sich in die Richtung aus der die Stimme kam. Und das war nicht die Haustür. Sondern das Wohnzimmer. Sie ging weiter und als sie vor dem Couchtisch stand, sah sie darauf ein Aufnahmegerät stehen. Ihr Magen drehte sich um und ihr wurde schlecht. Hatte er es geschafft sie reinzulegen?
„Hab ich dich!“, erschreckte sie eine Stimme rechts neben ihrem Ohr.
Ruckartig drehte sie sich um und wollte mit dem Messer auf die Person einstechen.
Sie war aber zu langsam.
Er schlug ihr mit einer Pfanne aus der Küche auf den Kopf und sie ging bewusstlos zu Boden.
Kommentar hinzufügen
Kommentare
Das Ende ist anders als erwartet👌
Coole Story - freue mich auf mehr!!
Nach der Sommerpause 💃🙌🫶