Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser!
Marianne hätte sich wohl mehr auf die Kontrolle konzentrieren sollen, als auf das Hintergehen ihrer Arbeitskollegin.
Aber wer zu sehr damit beschäftigt ist, anderen schöne Augen zu machen und im Mittelpunkt zu stehen, verliert leicht den Überblick.

Es war ein langer und mühsamer Weg. Alle schnauften und waren nur noch genervt. Sie alle hatten sich dieses Team-Ausflug anders vorgestellt. Eigentlich wollten sie nur in ein Gasthaus gehen, etwas essen und trinken und eine gute gemeinsame Zeit miteinander haben.
Und eigentlich hatten sie diese Idee bereits miteinander abgestimmt und auch als Mehrheit verteidigt.
Aber wie so oft wurden sie überstimmt. Von einer einzigen Person. Ihrem Chef.
>Wandern befreit die Seele und tut gut. Ist doch schön, wenn ihr mal aus dem Büro kommt. Seid doch dankbar für die gemeinsame Zeit!<
Seine Worte hallten wie ein Echo immer wieder in Sandra's Kopf. Sie versuchte zwanghaft seine Stimme los zu werden, aber das ging schwer, denn er redete während der Wanderung ununterbrochen.
„Wenn wir erst oben sind, dann lernt ihr mal eine richtige Aussicht kennen! Und vielleicht inspiriert es ja den ein oder anderen zu neuen Ideen!“, sagte er süffisant.
„Die eh keinem interessieren und ignoriert werden.“, flüsterte Sandra ihrer Kollegin zu. Die unterdrückte einen lauten Lacher und nickte.
„Na? Schon am aufgeben?“
Wie eine Gazelle stolzierte Marianne an Sandra und den anderen vorbei. In ihrem perfekten Wanderoutfit von Adidas. Wobei Wanderoutfit die falsche Bezeichnung dafür war. Ihre Short und ihr Oberteil waren so eng, dass weder ihr Arsch noch ihre Brüste zu übersehen waren.
„Wandern ist halt nicht für jeden was.“, lachte sie süffisant und ging im Eiltempo an ihren vorbei.
Marianne war einer dieser Menschen, die alles besser wussten, besser konnten und überhaupt am besten waren. Als Frau war sie nicht gerade ein Paradebeispiel für alle anderen. Sandra wagte es einmal, sie zu kritisieren, weil sie einen Kunden falsch beraten hatte. Keine 10 Minuten später stand ihr Chef vor ihr und an seiner Seite eine verheulte Marianne.
>Das war nicht sehr nett von ihnen! Die arme Marianne ist ganz aufgelöst<
Jeder wusste, dass er auf sie stand. Auch Marianne. Eigentlich hätte sie Schauspielerin werden sollen, denn sie konnte auf Kommando heulen.
„Aufpassen, dass du nicht stolperst, du hohle Nuss.“, sagte Sandra.
„Wie bitte?“, erwiderte Marianne.
„Nichts. Ich muss aufpassen, dass ich nicht stolpere.“
Sandra blieb für einen Moment stehen und schnaufte durch. Sie war eigentlich kein unsportlicher Mensch. Keiner von ihnen. Aber sie hasste gerade alles an dieser 'Wanderung'.
„Was meinst du? Könnten wir die zwei oben nicht einfach runter schubsen?“, fragte Tamara.
Sandra lachte laut los.
„Oh Gott, sofort! Aber da müssen wir uns etwas einfallen lassen, damit es wie ein Unfall aussieht.“
Nach etwa 3 Stunden kamen sie dann endlich an ihrem Ziel an. Eine Hütte oben am Berg.
„Wir werden hier nun zu Mittag essen und etwas Brainstorming betreiben. Dann haben wir noch eine Überraschung für euch alle.“, sagte Marianne und sprang dabei auf und ab wie ein kleines Kind unterm Christbaum.
Als die Wirtin kam, bestellen alle etwas.
„Oh, ich hätte gerne das Schnitzel mit Pommes bitte. Ich sterbe vor Hunger.“, sagte Sandra.
„Für mich auch bitte.“, erwiderte Tamara.
„Also ich hätte gerne einen gemischten Salat. Ich bin nämlich Vegetarierin. Und bitte keine Nüsse oder sonstige Hülsenfrüchte. Ich bin nämlich allergisch darauf.“
Sandra und Tamara sahen sich an und versuchten sich das Lachen zu verkneifen.
„Ich achte auf meinen Körper. Mein Körper ist nämlich mein Heiligtum und ich habe nicht so einen Saumagen wie andere.“, erwiderte Marianne süffisant und sah die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Gott sei Dank hast du keine Kinder.“
„Wie bitte?“, fragte Marianne.
„Nichts.“, antwortete Sandra.
Nachdem Essen saßen sie noch eine Weile zusammen und beratschlagten sich über einige Dinge in der Arbeit. Es gab viele Prozesse die überarbeitet werden mussten.
„Sandra, wie sieht es mit der Statistik zu dem geplanten Bewertungssystem aus? Wie weit bist du da?“, fragte ihr Chef.
„Ich bin etwa bei der Hälfte des Prozesses. Ich habe aber alles im Büro und kann ich ihnen dann nächste Woche zeigen.“, erwiderte Sandra.
Ihr Chef sah sie überrascht an. Sie konnte aber nicht deuten, was er damit ausdrücken wollten.
„Ich habe mich zufällig auch mit dieser Statistik beschäftigt, Chef.“, sagte Marianne und holte aus ihrem Rucksack eine kleine Mappe heraus. Sie legte sie auf den Tisch und öffnete sie.
Dann begann sie alles zu erklären.
Sandra fiel aus allen Wolken.
„Hast du meine Unterlagen gestohlen?“, fragte sie entsetzt.
Marianne sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an und lachte.
„Wie bitte? Als hätte ich das nötig.“
Sandra riss ihr die Mappe aus der Hand und blättere sie durch. Was sie sah, schockierte sie. Sie fand alle Aufzeichnungen die sie bisher gesammelt hatte in dieser Mappe.
„Das sind meine Ausdrucke. Meine Zusammenfassungen und meine Statistiken. Wo hast du die her?“, schrie Sandra.
„Ich habe das hier selbständig ausgearbeitet. Das ist meine Schrift. Was glaubst du eigentlich wer du bist?“
„Du hohle Nuss verstehst die Hälfte davon nicht einmal. Geschweige denn weißt du, wie unser Bewertungssystem funktioniert.“
„Sandra!“, rief ihr Chef. „Zügel deinen Ton! So sprichst du nicht mit Marianne! Nur weil sie vorbereitet ist und du nicht, ist das nicht ihr Fehler. Du wusstest genau, dass wir das heute besprechen werden!“
„Aber das sind meine ...“
„Ruhe jetzt! Ich werde das Projekt an Marianne abgeben. Aber nicht, weil du es nicht könntest. Sondern weil deine inkompetente Art gegenüber Marianne mich nervt.“, unterbrach er Sandra.
Sandra saß einfach nur fassungslos da und starrte in Marianne's grinsendes Gesicht. Sie wusste genau, wie das alles passieren konnte. Sie hatte vergessen ihren Rollcontainer in der Arbeit abzusperren und Marianne hat sich alles rausgeholt.
Nach einer Stunde packten alle wieder ihre Sachen in die Rucksäcke und machten sich für das nächste Abenteuer bereit.
„Es wird euch gefallen. Es ist absolut toll!“, rief Marianne und sprang dabei wieder klatschend auf und ab.
„Ich hoffe sie erstickt an ihren Implantaten.“, flüsterte Tamara Sandra zu.
Sandra war aber nicht mehr zu lachen zu mute. Sie war einfach nur entsetzt, wie falsch eine Person sein konnte. Das Marianne mit Vorsichtig zu genießen war, das wussten sie alle. Aber das sie Arbeit stehlen würde, damit rechnete niemand.
Am Weg zur Zipline warfen einige Kollegen Sandra einen mitleidigen Blick zu. Das machte sie nur noch wütender.
Als sie bei der Station zum Flying Fox ankamen, wartete schon ein Trainer auf sie.
Er instruierte alle zu der Vorgehensweise und zeigte ihnen in einer Hütte die Ausrüstung.
„Jeder von euch hat eine zugeordnete Ausrüstung. Ich habe sie mit euren Namen versehen. Ich zeig euch jetzt mal, wie man das anlegt.“, sagte der Trainer.
Nachdem er alles vorgezeigt hatte, waren die ersten fünf an der Reihe.
Alle waren furchtbar aufgeregt. Immerhin war der Flying Fox in einer Höhe von etwa 150 Meter und hatte eine Länge von 1,5 Kilometer.
Marianne stand natürlich neben dem Trainer und gab den Kollegen Anweisungen. Sie kannte ja alles und hatte das schon so oft gemacht.
„Ist das Klo in der Hütte?“, fragte Sandra.
Der Trainer nickte.
„Angst?“, fragte Marianne und grinste.
Sandra ignorierte sie und ging in die Hütte.
Sie war so wütend. Sie hatte Jahre dafür hart gearbeitet um endlich die Anerkennung zu erhalten, die ihr zustand. Ihr wurde alles abgelehnt. Eine Gehaltserhöhung würde sie nur erhalten, wenn sie mehr Verantwortung übernehmen würde. Ein Abteilungswechsel kam nicht in Frage, denn ihr Chef war ja so dankbar für ihre Arbeit und nur sie könne das so gut. Einen neuen Job fand sie nicht.
Und jetzt nahm ihr diese hohle Nuss auch noch ihr Projekt weg. Das war ihre einzige Chance um sich zu beweisen. Dadurch hätte sie mehr verdienen oder noch in weitere Projekte einsteigen können.
In diesem Moment war sie noch sonderlich stolz auf sich.
Sie wusste auch, dass das schwerwiegende Konsequenzen haben konnte - wenn man auf sie kämen würde.
Aber ihr Gehirn sendete klare Signale an ihren Körper und der tat was das Gehirn befahl.
Nach 15 Minuten kam sie wieder raus.
Marianne und der Chef gingen in Hütte um ihre Ausrüstung anzulegen.
Als sie beide auf dem Podest standen und eingehackt wurden, winkte ihnen Sandra zu.
„Viel Spaß!“
Marianne drehte sich um und zeigte ihr den Mittelfinger.
Dann flog sie los.
Nach etwa 20 Meter hörte man einen grellen Schrei voller Verzweiflung, Angst und Panik.
Marianne's Halterung war gerissen und sie stürzte 150 Meter in die Tiefe. Sie prallte mit ihrem Körper mit voller Wucht auf den harten Boden eines Wanderwegs. Als man sie fand, war sie mehr Matsch als Mensch.
„Oh nein! Wie konnte das passieren?“, rief Sandra.
Während der Chef und alle anderen los liefen zur Unfallstelle ging Sandra ganz gemütlich zurück in die Hütte.
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Kommentare
Genial einfach genial 👌👍
Beste coolste Geschichte ever 🤭🤭💃
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