Wenn Menschen sagen, sie hätten ihr Herz verloren, ist es meistens nur der Verstand. - Robert Lembke
Ella glaubte fest an 'in guten wie in schlechten Zeiten'
'Bis dass der Tod uns scheidet' schworen sie sich damals in der Kirche.
Und das nahm Ella auch ernst!

Ella saß auf der Couch im Wohnzimmer und blickte starr gerade aus auf den Fernseher. Ihr Mann lag mit seinem Kopf auf ihren Beinen. Ella fuhr ihm mit ihren Fingern durch seine Haare und kraulte seinen Kopf.
Sie hatte schon immer einen Faible für seine rabenschwarzen Haaren. Er war zwar schon über 50, hatte aber kein einziges graues Haar. Ella zog ihn immer damit auf, dass er sich seine Haare heimlich färben würde.
>Angst vorm älter werden?<, sagte sie dann immer und lachte.
Er schüttelte dann nur den Kopf und schmunzelte.
Es war ein gut behütetes Geheimnis, dass er nicht mal seiner Frau erzählte.
„Was ist passiert?“, riss eine Stimme sie aus ihren Gedanken.
Sie konzentrierte ihren Blick wieder auf den Fernseher. Dort lief gerade The Girl On The Train mit Emily Blunt. Ella liebte diesen Film. Die Geschichte einer Frau der man nicht glauben wollte. Sie fühlte sich mit der Figur Rachel Watson eng verbunden. Beide hatten sie einen unerfüllten Kinderwunsch und nicht gerade liebevollen Ehemann. Ella's Mann nörgelte sehr viel und war nie zufrieden mit ihr. Sie machte immer etwas falsch.
>Bis dass der Tod uns scheidet!<, sagte er damals in der Kirche und küsste sie.
>Bis dass der Tod uns scheidet!<, antwortete sie und war die glücklichste Frau auf der Welt.
Sie hatte natürlich seinen Namen angenommen. So gehörte sich das.
Sie zogen in ein klassisches kleines Häuschen am Rande von Wien. Zweistöckig. Unten ein Garten und oben noch ein kleiner Balkon. Im Frühling und Sommer blühte alles und ihr Haus war umgeben von allen möglichen bunten Blumen. Im Winter stellte sie überall Figuren mit Lichterketten auf. In ihrer Nachbarschaft hatten sie immer einen kleinen Wettstreit, wer sein Haus am kitschigsten schmückte.
„Wo waren sie?“, riss sie wieder eine Stimme aus ihren Gedanken.
Ella schloss ihre Augen und schüttelte kurz den Kopf.
Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab in die Vergangenheit. Sie konnte sich nur schwer konzentrieren.
Der heute Sonntag war eigentlich ein Tag wie jeder andere Sonntag.
Sie standen zeitig um 7 auf und frühstückten gemeinsam. Für ihren Mann gab es ihr spezielles Sonntags-Frühstück. So nannte er es immer. Zwei Spiegeleier, Speck und zwei Scheiben Schwarzbrot.
Sie hatte einen Kaffee.
„Und eine Zigarette.“, lachte sie. Ella nannte es das Kater-Frühstück.
Sie hatten am gestrigen Tag beide etwas zu tief in das Weinglas gesehen. Rotwein war nicht Ella's Stärke. Daher musste sie sich auch in der Nacht mehrere Male übergeben.
Nach dem Frühstück waren sie aber wie jeden Sonntag um 9 Uhr in der Kirche. Es war für beide eine Tradition mit der sie seit ihrer Kindheit verbunden waren und diese wollten sie weiterführen. Also trafen sie sich jeden Sonntag um halb 9 vor der Kirche mit ihren Eltern und Nachbarn.
Nach der Kirche ging es wie immer noch in das Kaffeehaus gegenüber.
„Wo ist ihr Mann?“, sagte eine Stimme.
Ella legte ihren Kopf zur Seite und blickte auf den Fernseher. Sie lächelte etwas. Gleich kam die Szene wo Rachel das erste mal auf Scott Hipwell traf. Der Schauspieler erinnerte sie so sehr an ihren Mann. Der Unterschied bei den beiden lag in der Farbe ihrer Augen. Ihr Mann hatte blaue Augen. Auch etwas in das sie sich verliebte.
Im Kaffeehaus blieben sie meist bis Mittag. Dann ging es zu ihren Schwiegereltern zum Mittagessen. Es gab wie immer Sonntagsbraten und dazu Semmelknödel. Ihr Mann liebte den Braten seiner Mutter. Man sah es ihm auch ein bisschen an. Seit sie verheiratet waren, fuhr er öfter zu seinen Eltern essen.
„Ich kann kochen. Ich kommt halt nicht immer dazu. Die Arbeit, das Haus, der Garten. Und wenn seine Mama führ ihn kocht, dann soll er das Angebot doch annehmen. Er arbeitet so schwer, da hat er ein gutes Essen verdient.“, sagte Ella und lachte.
Ella hatte 3 Gerichte die sie konnte. Spaghetti Bolognese, Eierspeis und Schinken-Käse-Toast.
„Ja, es ist kein Sonntagsbraten oder 5 Gänge Menü, aber es macht satt.“, sagte sie voller Überzeugung.
Nach dem Mittagessen sind sie dann nach Hause.
Ella hatte bei ihren Schwiegereltern vielleicht ein Bier zu viel getrunken und war deshalb etwas beschwipst. Aber sie hatte ja auch noch nichts gefrühstückt. Und der Kuchen im Kaffeehaus war ihr zu gallig. Den Sonntagsbraten aß sie bereits seit Jahren nicht mehr. Er hing ihr zum Hals hinaus.
„Ich hab mir dann ein oder zwei Kekse aus der Dose genommen. Seine Mama versteckt sie immer vor mir, weil sie nur ihrem Bubi gehören.“, sagte sie und grinste.
Zu Hause machte ihr Mann dann einen Mittagsschlaf.
„Ich glaube gegen 4 Uhr am Nachmittag ist er wieder aufgestanden.“, sagte Ella.
Sie machte keinen Mittagsschlaf. Das war verschwendete Zeit. Immerhin musste sich ja jemand um den Haushalt und alles hier kümmern. Also putze sie alles. Natürlich so leise wie möglich, denn sie wollte ihren Mann ja nicht aufwecken.
„Haben sie schon mal versucht leise Staub zu saugen?“, lachte Ella los.
„Wieso haben sie das getan?“, fragte jemand.
Ella sah sich im Wohnzimmer um und dann blickte sie auf den Kopf ihres Mannes.
Sie waren so jung als sie geheiratet hatten. Vielleicht zu jung? Ella stellte sich oft die Frage ob alles anderes gekommen wäre, wenn sie etwas später geheiratet hätten. Oder sich später kennen gelernt hätten?
„Er maulte wegen jeder Kleinigkeit rum. Ella trink nicht so viel Wein. Ella hör auf im Haus zu rauchen. Ella kümmer dich um den Haushalt. Ella zieh dir etwas an, wenn du die Post holst. Ella schlaf nicht mit dem Postboten. Ella mach dies, Ella mach jenes.“, äffte sie ihren Mann nach.
Die Polizisten, welche rund um die Couch standen, sahen sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Das Bild, welches sich ihnen hier bot, war jenseits dessen, was sie sich jemals vorstellen mochten.
Als sie in das Haus wollten, mussten 3 Männer die Türe aufdrücken, weil sie von Kisten versperrt wurde.
In der Küche stapelte sich das dreckige Geschirr und darin sammelten sich bereits Fliegen und Maden.
Sie alle hätten sich beinahe übergeben.
Im Badezimmer wohnte zwischen jeder Fliese bereits der Schimmel und in der Badewanne lebten Kakerlaken. Die Fliesen an den Wänden waren voll mit Blut. Auf dem Klo lag eine Axt und eine Säge. Neben dem Klo stand eine Motorsäge. Alles blutverschmiert.
Im Keller feierten die Ratten ein Festmahl mit den verdorbenen Lebensmitteln.
„Stehen sie bitte auf. Drehen sie sich zu mir um und legen sie die Hände hinten am Rücken.“, sagte der Polizist zu ihr.
Ella sah mit traurigen Augen auf ihren Mann hinab.
„Ich werde dich vermissen mein Schatz. Aber wir sehen uns wieder. Ich verspreche es dir. Warte bitte auf mich. Ich werde alles wieder gut machen. Du wirst sehen. Ich mach dir dann auch jeden Sonntag deinen Braten und für dich lerne ich auch kochen. Das Haus putze ich zweimal in der Woche ...“
„Kommen sie bitte!“, unterbrach sie der Polizist.
Ella seufzte und stand auf vorsichtig auf. Sie legte den Kopf ihres Mannes auf die Couch und drehte sich mit dem Rücken zu dem Polizisten.
„Wo ist der Rest des Körpers?“, fragte der Polizist.
Ella deutete mit ihrem Kopf zum Fenster Richtung Garten.
„Irgendwo da draußen.“, sagte sie und zuckte mit den Schultern.
„Er hatte mir nach der Trennung alles gelassen. Hauptsache weg von dir, hat er gesagt. Ich konnte mich aber nie von ihm trennen. In guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod uns scheidet. Oder?“
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Kommentare
Huiiii, deftig! 👌
Ein mords Sonntag- Sauerbraten ist gefährlich 👍🤭💃
super Geschichte😍