Das Leben schreibt die seltsamsten Geschichten.
Und Marie trägt ihren Teil dazu bei.
Als Schriftstellerin versucht sie sich so gut es geht in ihre Geschichten einzufühlen. Sie selbst zu erleben, hautnah dabei zu sein und zu fühlen was ihre Figuren fühlen. Nur so kann eine Geschichte auch richtig erzählt werden.

Marie saß im Wintergarten und starrte in den Garten hinaus. Ihr Laptop stand aufgeklappt vor ihr. Sie hatte wieder eine dieser schlaflosen Nächte und die verbrachte sie dann am liebsten im Wintergarten.
Das Leben als Schriftstellerin fühlte sich irgendwie nicht so an, wie sie sich das damals ausmalte. Irgendwie war es ihr zu stressig.
Marie träumte davon mit ihren Büchern um die Welt zu reisen, Lesungen zu halten und anderen herausragenden Schriftstellern zu begegnen.
Meistens saß sie aber zu Hause vor dem Laptop und hämmerte in die Tastatur um den Zeitplan des Verlages einhalten zu können.
Begonnen hatte sie mit einfachen Krimis. Es dauerte eine Weile bis sie einen Verlag fand.
>Krimis sind überbewertet. Jeder Idiot schreibt heutzutage Krimis. Lassen sie sich etwas Originelleres einfallen.<
Leichter gesagt als getan. Es kostete sie viel Zeit und Kraft etwas zu schaffen, dass es so noch nicht gab. Aber sie fand etwas und das schlug ein wie eine Bombe.
Binnen einem Jahr wurde Marie's erstes Buch zu einem Bestseller. Weltweit, versteht sich. Die Leute rissen sich um ihre Geschichte. Sie hatte wirklich Spaß daran. In den ersten Monaten war sie ständig unterwegs und gab unzählige Interviews.
>Wie kommen Sie auf solche Geschichten?<., >Wollten Sie schon immer Schriftstellerin werden?<, >Wie schaffen Sie es, Ihre Geschichten so echt wirken zu lassen?<
Die Fragen waren immer die gleichen, aber sie hatte enorm viel Spaß daran sie zu beantworten.
Irgendwann war dann der erste Spaß vorbei und der Verlag verlangte weitere Bücher. Keine Reisen. Keine Lesungen. Keine Partys. Keine Interviews.
Nur noch der Wintergarten, ihr Laptop und sie.
Ihr Mann und ihre Tochter nahmen es ihr oft sehr übel, dass sie so wenig Zeit hatte. Marie versuchte ihnen dann jedes mal zu erklären, dass ein gewisser Lebensstil eben kostspielig sei und beide froh sein sollten, dass ihre Bücher so verdammt gut ankamen.
„Irgendwer muss ja die Rechnungen bezahlen!“, sagte Marie zu sich selbst und verdrehte dabei die Augen.
Sie stand vom Tisch auf, ging zur Glastür und öffnete sie ein Stück. Dann zündete sie sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Eigentlich hatte sie vor 4 Jahren mit dem Rauchen aufgehört, aber durch den ganzen Stress und Druck vom Verlag, begann sie wieder. Heimlich, versteht sich.
Sie blickte in den Garten hinaus und lächelte.
Marie liebte die Gegend wo sie wohnten. Ihr Mann und sie hatten vor knapp 3 Jahren hier ein Haus gebaut. Besser gesagt, bauen lassen. Es war nichts monströses. Ein kleines Einfamilienhaus am Land. Jeder hatte seinen eigenen Bereich. Natürlich auch die Katze, versteht sich.
Ihr Mann fand es ziemlich übertrieben der Katze ein Spielzimmer einzurichten.
Aber Marie wollte, dass es ihrer Summi an nichts fehlte. Manchmal scherzte ihre Tochter, dass wenn Marie sterben würde, sie alles an die Katze vererben würde.
Für Marie war das gar nicht so abwegig. Immerhin bezahlte sie den Hausbau, die monatlichen Kosten, den Gärtner und was halt sonst noch so anfiel. Also konnte sie auch mit ihrem restlichen Geld machen was sie wollte. Und wenn es ihre Katze bekam, wurde es wenigstens nicht versoffen oder für teure unnötige Kleidung ausgegeben.
Ihr Mann trug in den letzten Jahren nicht viel bei zum gemeinsamen Leben. Alleine im letzten Jahr hatte er 3 Firmen eröffnet und 2 wieder in den Sand gesetzt. Jedes Monat gab es eine neue >bahnbrechende< Idee.
>Dieses mal hab ich ein richtig gutes Gefühl dabei!<.
Auch so ein Satz der bei ihr Brechreiz auslöste.
Er war schon alles: Motivationscoach, Unternehmensberater – der jede Firma in den Sand setzte – Life Coach, Karriere Coach, Lebensberater, …
Die Liste war lang.
Länger als Marie's Romane.
In den letzten Monaten lief es nicht mehr so toll. Sie stritten sich sehr viel. Wobei Marie nicht stritt. Sie hatte eine Abneigung gegen schreien oder mit Sachen werfen. Ihr Mann dagegen war der Dramatiker schlecht hin. Wenn er in Fahrt war, brüllte er das ganze Haus zusammen. Marie saß dann meistens nur da und hörte ihm zu. Sie wusste, dass er sich irgendwann beruhigen würde. Die größte Herausforderung war, nicht zu lachen. Er sah richtig lächerlich aus. Sein Kopf wurde knallrot und wenn er sich dann richtig in Rage schrie, verschluckte er sich schon mal an sich selbst oder bekam Schnappatmung weil er auf das Luft holen vergaß.
Marie war bewusst, dass sie hier viel mehr Empathie zeigen müsste. Aber mit der Zeit stumpft man ab und kann vieles nicht mehr ernst nehmen. Vor allem wenn man so viele Menschen sterben lies wie sie. In ihren Büchern, versteht sich.
Marie dämpfte die Zigarette im Aschenbecher aus und zündete sich gleich eine neue an.
„Schneewittchen's Rache. Das wäre doch gar kein so schlechter Titel für mein neues Buch.“, sagte sie zu sich selbst.
Vor 2 Wochen war er dann zu weit gegangen.
Er hatte sie mit ihrer Assistentin betrogen. Eine 20-jährige Blondine die nicht zwischen >seid< und >seit< unterscheiden konnte. Leider sagte sie ihm das ins Gesicht. Dass er laut Marie sogar zu blöd war, um sich eine kluge Affäre zu suchen, war zu viel für ihren Mann.
Dabei war ihr der Seitensprung völlig egal.
Was er aber dann tat, legte in ihrem Gehirn einen Schalter um.
Summi kam nichts ahnend um die Ecke und war gerade am Weg zu Marie.
Ihr Mann war so in Rage, dass er ihre Summi packte und gegen die Wand schleuderte.
In diesem Moment blieb Marie's Herz stehen.
Sie vertrug sehr viel. Seitensprünge, Beleidigungen oder auch Bloßstellungen in der Öffentlichkeit. Aber bei Summi gab es kein Pardon. Keiner rührte ihre Katze an. Niemand!
Die darauffolgenden Tage waren geprägt von tausend Entschuldigungen ihres Mannes und Marie's eisernen Schweigen. Sie war an einen Punkt angekommen, an dem sie wusste, dass dieses Situation nur auf eine Weise gelöst werden konnte. Es war makaber, ja. Aber so verarbeitete Marie nun mal die Dinge. Und so entstanden auch ihre besten Geschichten. Abgesehen davon, dass ihre Katze verletzt wurde, hatte dieser Streit auch etwas Gutes. Er löste ihre Schreibblockade.
Sie dämpfte ihre Zigarette aus, zog sich ihre Jacke an und ging hinaus in den Garten. Bis ganz nach hinten zum Zaun, welcher das Grundstück vom Wald trennte. Es war ein großer Garten. Knapp 600 Quadratmeter. Sie mochte es so groß, da hatte sie viel Platz für Pflanzen und alles was halt so hinein passte.
Als sie hinten ankam, zog sie wieder die Handschuhe von ihrem Gärtner an und packte die Schaufel, welche neben dem Loch steckte. Sie hatte das Loch eigenhändig gegraben. Was relativ schwer war, denn im April war der Boden manchmal noch gefroren. Und da sie keinen Lärm machen oder eine Firma beauftragen wollte, blieb ihr nichts anderes übrig als es mit der Schaufel zu graben.
Marie spürte plötzlich einen kleinen Druck an ihrem Bein.
Sie sah hinunter. Summi schlich um ihre Beine herum.
„Na, mein Spatz? Alles okay?“
Marie ging in die Hocke und kraulte Summi am Kopf.
„Du kleine Süße! Gott sei Dank geht es dir wieder gut.“
Summi lies sich noch einen Moment streicheln, dann ging sie auf die andere Seite des Lochs, setzte sich dort an den Rand und wartete.
„Ich bin gleich fertig. Dann gehen wir endlich schlafen.“, sagte Marie zu ihr.
Sie blickte sie hinunter in das Loch und sah dort ihren Mann mit ihrer Assistentin geknebelt und gefesselt nebeneinander liegen.
Beide sahen Marie mit weit aufgerissenen Augen an, schüttelten verzweifelt den Kopf und traten um sich.
Sie versuchten zu schreien, der Knebel im Mund unterdrückte aber alles.
Marie begann die Erde, die sie ausgehoben hatte, langsam auf die beiden zu schütten.
„Ihr braucht jetzt gar nicht so zu tun, als wäre das alles meine Schuld. Immerhin war nicht ich diejenige, die einen verheirateten Mann gevögelt hat. Und die Aktion mit Summi. Dachtest du das bleibt ohne Reaktion? Außerdem, was glaubt ihr warum meine letzten Bücher so erfolgreich waren? Denkt ihr, die Bilder darin sind aus meiner Fantasie entsprungen? Glaubt ihr, ihr seid die ersten? Ich brauche einfach ein Gefühl für das was ich schreibe. Und dafür muss ich recherchieren. Wie lange dauert es ein Loch zu graben? Wie bekomme ich euch da rein? Wie lange dauert es bis ich es wieder zugeschüttet habe? Wie lange dauert es bis ihr tot seid? Meine Bücher sollen so authentisch wie möglich sein. Keine halben Sachen!“, sagte Marie.
Sie lächelte den beiden zu und schickte ihnen noch einen Luftkuss.
Dann schüttete sie das Loch komplett zu.
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Kommentare
der ist dir super gelungen😍
Das war voll cool 😎
Die Geschichte ist total lässig 🙌👸🏋♀️
Niemand vergreift sich an einen Bubschi 🐈🐯
Ist doch logisch das die Geschichte so enden muss🫶
Bubschi at first - das ist Gesetz 🤣🤩