Ludwig van Beethoven´s Schlussworte in seinem Liebesbrief an seine Geliebte sind zeitlos. Sie geben einem das Gefühl purer Liebe. Aber was, wenn dieses Gefühl der puren Liebe nicht erwidert wird? Was, wenn nur eine Person diese pure Liebe empfindet, die andere aber nicht? Und was, wenn die Angebetete diese pure Liebe jemand anderen schenkt?

Sie ist wunderschön! Welch ein Glück ich mit ihr habe!, dachte er und lächelte dabei.
Wenn er sie ansah, empfand er pure Dankbarkeit und Liebe. Lange hatte er nach so einer Frau wie ihr gesucht. Sie war in seinen Augen vollkommen. Ihr Lächeln verzauberte ihn jeden Tag aufs Neue und ihre unbeschwerte Art gab ihm Zuversicht. Durch sie hatte er gelernt wieder an die Menschen zu glauben und das Gute in ihnen zu sehen.
Lange hatten ihn seine dunklen Gedanken im Griff. Aussichtlos schien ihm alles. Jeder Tag war wie der andere. Ein Trott und Überlebenskampf.
Doch dann traf er sie.
Es war an einem seiner schlechten Tage. Er hatte morgens schon Kaffee mit Vodka getrunken und eigentlich war er sogar etwas betrunken. Sein Job als Uniprofessor sagte ihm nicht mehr zu und die Studenten wurden auch immer unverschämter. Er ging hier nur noch her, weil es seine Pflicht war und er seine Frau zu Hause nicht mehr aushielt. Jeden Tag hatte sie etwas auszusetzen.
Er kam nie zum richtigen Zeitpunkt nach Hause. An den einen Tagen rief er sie zu selten an und an den anderen zu oft. Er machte zu wenig Sport, trank zu viel und stank nach Zigaretten. Er beteiligte sich nie im Haushalt und am Wochenende war er zu nichts zu gebrauchen, weil er müde war. Seine Tochter respektierte ihn genauso wenig. Es sei denn sie brauchte mal wieder Geld.
Im Grunde genommen hasste er seine Familie und sein Leben.
Bis zu diesen einem Tag als er sie sah. Ab da hasste er nur noch seine Familie.
Sie war schön, unbeschwert, jung und ständig fröhlich. Er sah sie meistens nur in der Mittagspause, denn sie hatte erst neu zu studieren begonnen. Das erste Mal trafen sie sich im >Book&Coffee<. Das kleine Café war gleich ums Eck vom Campus. Hier konnte man Kaffee trinken und Bücher kostenlos lesen.
Sie fiel ihm auf, weil sie gerade den 4. Teil von Harry Potter las. Sie unterhielten sich eine Weile über das Buch und er erzählte über die mögliche Wahrscheinlichkeit, dass dieser Ort tatsächlich besteht. Sie hatten es aber dann beide eilig wieder zurück zum Campus zu kommen. Er gab ihr seine Visitenkarte und sagte ihr, dass sie gerne morgen im Café weiterreden könnten. Das war der Beginn einer fantastischen Freundschaft und wunderschönen Beziehung.
Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich etwas ihm ihn. Er begann wieder mehr auf sich zu achten, ging tatsächlich 3-mal die Woche zum Sport und kleidete sich neu ein. Er ging zur Maßschneiderei in der Stadt und ließ sich einen Anzug anfertigen. Das war zwar sehr teuer, aber er hatte sich ja einiges an Geld heimlich gespart – für schlechte Zeiten.
Warum das Geld nicht für mich verwenden? Ich habe es verdient!, dachte er sich.
Seine Frau merkte den Wandel natürlich auch und machte sich über ihn lustig.
„Suchst du dir jetzt eine Affäre?“, lachte sie ihn aus. „Als würde jemanden so einen nutzlosen Uniprofessor haben wollen. Kannst froh sein, dass ich noch hier bin.“
Er ignorierte sie. Sollte sie doch denken was sie will. Er wusste für wen er das tat und diese Person würde das zu schätzen wissen.
Er hatte sich dann nach einiger Zeit auch am Unicampus eine kleine Wohnung gemietet. Sie war nicht sonderlich groß und auch nicht top ausgestattet, aber es reichte für ihn. Hier hatte er die Ruhe die er so lange suchte, konnte die Arbeiten der Studenten korrigieren und sich mit ihr treffen. Natürlich alles mit Diskretion und Abstand. Er war immerhin Professor und sie Studentin. Beziehungen und auch Bekanntschaften wurden hier nicht toleriert. Er wollte sich und vor allem sie nicht gefährden.
Nicht nur, dass sie bildhübsch war, mit ihren langen haselnussbraunen Haaren und den dunkelgrünen Augen, war sie auch noch intelligent. Sie interessierte sich für Geschichte und Musik. Ihr Ziel war es selbst Professorin zu werden und hier konnte er sie tatkräftig unterstützen. Wer hätte nicht die besten Tipps als ein Professor selbst?
Er sehnte sich besonders an stressigen Tagen nach ihrer Unbeschwertheit. Und heute war wieder einer dieser Tage. Er hetzte von Lesesaal zu Lesesaal und von Termin zu Termin. An der Uni waren viele Professoren ausgefallen. Das passierte immer wieder im Frühjahr. Sie baten jedes Jahr um mehr Lehrpersonal, aber irgendwie stießen sie immer auf taube Ohren.
Zu Mittag schaffte er es dann doch knapp ins Café. Schon auf dem Weg dort hin schlug sein Herz schneller als erwartet. In seinem Bauch machten sich Schmetterlinge breit.
Darf ich das? Mich so fühlen?, fragte er sich.
Bevor er das Kaffeehaus betrat, blieb er noch einen kurzen Moment vor der Tür stehen. Er blickte in das Fenster und betrachtete sein Spiegelbild.
Wird wieder Zeit für einen Besuch beim Friseur., dachte er.
Er fuhr sich durch die Haare, atmete noch einmal tief durch und zog die Tür ins Café auf.
Als er drinnen stand, blickte er sich um und hielt Ausschau nach ihr. Es war gerammelt voll. Kein Wunder bei diesem Wetter. Draußen schüttete es aus Kübeln.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte ihn eine Kellnerin.
„Nein … Nein, danke. Ich … ich … alles gut. Bin schon wieder weg.“, lächelte er die Kellnerin an.
Er ging nach draußen vor das Café und lehnte sich neben der Eingangstür an die Mauer. Nervös griff er in seine rechte Jackentasche und zog ein Päckchen Zigaretten heraus. Er nahm eine Zigarette raus, zitterte aber so stark, dass er sie fallen ließ.
„Scheiße, verdammt nochmal!“, fluchte er.
Er nahm noch eine raus, steckte sie sich zwischen die Lippen und zündete sie mit einem Streichholz an. Dann nahm er drei starke Züge hintereinander und versuchte sich zu beruhigen.
Wo war sie? Wieso war sie nicht da? Sie war doch jeden Tag da. Hatte sie länger Unterricht? War vielleicht eine Stunde ausgefallen? Er zog sein Handy aus der Jackentasche und loggte sich in das Uniportal ein.
Saal 3. Vorlesung Musik, Wolfgang A. Mozart. Vor einer halben Stunde aus gewesen. Sie müsste schon längst da sein. Hatte er sich doch schon um fast 15 Minuten verspätet.
Er war die Zigarette auf den Boden und dämpfte sie mit seinem rechten Schuh aus. Er spürte etwas Wut in sich aufkommen. So war das nicht geplant. Nein, so war das auf keinen Fall ausgemacht.
Er lief durch den Regen zurück zum Campus. Am Hauptplatz bog er links in Richtung Wohnbereich der Studenten ab. Er stellte sich unter das Vordach des Eingangs und klopfte den Regen von seiner Jacke und schüttelte seinen Kopf.
„Hey, Prof. Alles klar?“, hörte er eine Stimme aus dem Haus kommen. Er drehte sich um und sah einen seiner Stunden aus dem Wohnbereich kommen.
„Oh, ja, danke. Etwas nass heute.“, lachte er künstlich.
Der Student ging an ihm vorbei und lief Richtung Uni. Er hielt die Tür noch auf bevor sie zufiel und ging hinein. Viele Studenten begegneten ihm und grüßten ihn.
„Sind sie hier nicht falsch, Prof.?“, grinste ihm eine junge Studentin zu.
Er lächelte angespannt und winkte nur ab.
„Ja, bin gleich wieder weg. Hat nur jemand etwas vergessen.“, seufzte er.
Er hielt ein Buch hoch und zuckte mit den Schultern. Er ging den Gang ganz nach hinten und bog rechts ab. Keine 10 Schritte weiter stand er vor seiner Tür. Er blickte sich um und vergewisserte sich, dass ihn keiner sah. Dann schloss er die Tür auf und ging in seine kleine Wohnung hinein. Die Tür sperrte er von innen wieder zu und ließ den Schlüssel stecken.
Er zog seine Jacke aus, hängte sie über einen Stuhl im Wohnbereich und zog seine nassen Schuhe und feuchten Socken aus. Dann zog er die Vorhänge beim Fenster zu und drehte das Licht ab.
So war das nicht ausgemacht. So war das nicht geplant. Wo ist sie? Hat sie mich ernsthaft versetzt? Das würde sie sich doch nicht trauen?, dachte er sich.
Er blieb einen Moment mitten in der Wohnung stehen und atmete tief durch. Seine rechte Hand zitterte und sein Magen rebellierte.
Verlier jetzt bloß nicht die Nerven, sagte er zu sich selbst.
Er zog seine nasse Jeans und sein Hemd aus. Dann ging er zu dem großen, alten und hölzernen Kasten an der linken Wand im Wohnbereich. Er öffnete ganz sanft und so leise wie möglich beide Türen. Vorsichtig schob er die Hemden beiseite. Er kniete sich in den Kasten und rutschte leise so weit wie möglich zur Wand.
„Alter, was soll ich denn machen? Der Typ ist doch echt krank? Wie alt ist der überhaupt? 70? Der könnte mein Opa sein?“
Sein Magen zog sich zusammen.
Nein, das hat sie nicht gesagt, dachte er.
Er rutsche ganz nah an die Kastenwand und blickte durch das Loch, welches er vor einem halben Jahr sorgfältig und ganz leise gemacht hatte. Die Mauern in den Wohnheimen waren nicht aus robusten Ziegeln sondern aus Holz. Immer wenn sie Unterricht hatte, arbeitete er an seinem kleinem Projekt hier weiter. Er war kein Stalker. Er passte nur gut auf sie auf.
„Es ist so ekelhaft. Das kannst du dir nicht vorstellen. Er taucht ständig überall auf wo ich bin. Dann steht er vor mir, grinst mich wie ein Perverser an und geht wieder.“
Da saß sie. Auf der Couch in ihrer Wohnung und telefonierte. Hatte nur eine kurze Short und einen Sport-BH an. Sie sah atemberaubend aus. Sie war wahrscheinlich beim Sport, denn sie schwitzte. Er spürte eine Erregung in sich und stellte sich vor, wie sie mit ihm schlief.
„Keine Ahnung was ich machen soll. Vielleicht zeig ich ihn an oder rede mal mit meiner Professorin. Auf alle Fälle geht das so nicht weiter. Tom ist der selben Meinung wie ich.“
Tom? Wer zur Hölle ist Tom?, dachte er sich.
Und dann kam Tom aus dem Badezimmer. Ein durchtrainierter Typ Mitte 20. Mit nichts als einer Boxershort am Körper. Er ging zu ihr hin und küsste sich auf den Mund.
Sein Herz machte einen kurzen Aussetzer und beinahe hätte er zu schreien begonnen. Seine rechte Hand ballte sich zu einer Faust und sein Gesicht wurde rot vor Zorn. Dieser Typ hatte etwas mit seinem Mädchen. Sie gehörte ihm. Seit mehr als 6 Monaten beobachtete er sie und nie hatte sie etwas von diesem Tom erwähnt.
Tom muss weg! Heute noch! Genau wie Mark weg musste, sagte er zu sich selbst.
Er rutschte wieder aus seinem Beobachtungsposten zurück, zog seine Sachen wieder an und holte sein Werkzeug unter der Spüle in der Küche hervor. Einen Hammer, eine Säge und viele Packungen schwarzer Mistsäcke.
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Kommentare
Oooooh shiiiiit! 👌👌👌🙌
Super!!!
Das ist echt eine tolle Geschichte 👌
Wäre optimal für eine "Tatort " am Sonntag Abend
🫶🙌😂