Bitte Lächeln

Veröffentlicht am 20. April 2025 um 11:00

Social Media ist doch etwas Tolles. Man kann sein Leben teilen, kann schöne Fotos posten und der Welt zeigen wie glücklich man ist. Das dachte sich auch Alexandra und zeigte der Welt ihr scheinbar perfektes Leben.

„Guten Morgen liebe Community! Ich hoffe ihr startet alle gut in den neuen Tag!“

Alexandra saß in ihrem Lieblingssessel im Wohnzimmer, den Kaffee in der linken Hand und das Handy in der rechten. Sie nahm eine Story für ihre Follower auf Instagram auf.

„Wir haben heute nicht so viel geplant. Meine Kleine ist ja leider krank, also lass ich sie ausschlafen. Ich wünsche euch allen einen super Tag!“

Sie formte mit ihren Lippen einen Kussmund. Sie sah sich ihre Story nochmal an und dann lud sie sie hoch.

Alex ging in die Küche und machte sich Frühstück. 2 Spiegeleier, einen Toast mit Guacamole und Tomaten und Paprika. Sie achtet sehr darauf was sie zu sich nahm. Und ein gutes Frühstück ist ja schon die halbe Miete wert. War zumindest ihre Meinung.

Bevor sie zurück ins Wohnzimmer ging, schlich sie den Gang ihrer Wohnung zurück zu der Tür neben dem Badezimmer. Sie legte leise ihr rechtes Ohr an die Tür und lauschte.

Alles ruhig. Schläft sicher noch, dachte sie.

Die letzten Tage hatte die Kleine ziemlichen Radau gemacht. Egal was Alex probierte, sie lehnte alles ab. Medizin, Nahrung, Wasser … nichts wollte sie zu sich nehmen.

„So sind Kinder halt“, sagte sie laut zu sich selbst und seufzte dabei.

Sie ging mit ihrem Frühstück ins Wohnzimmer und machte es sich wieder in ihrem Lieblingssessel bequem. Sie nahm die Fernbedienung in die Hand und drückte auf „ON“.

Gelangweilt zappte sie zwischen den Fernsehprogrammen hin und her. Als sie nichts Besonderes fand, wechselte sie zu Prime.

Hier hatte sie alle ihre Serien abgespeichert. Ihr Lieblingsthema waren wahre Geschichten. Alex sah sich alle Dokumentationen oder Serien zu Vermisstenfällen und den berüchtigtsten Verbrechern an. Dazu gehörte natürlich auch die Serie Criminal Minds. Sie fand es immer spannend wie Ermittler auf die Täter kamen.

Manchmal stellte sie sich vor, wie sie selber jemanden entführen würde und ob jemals wer dahinterkommen würde. Sie war sich sicher, dass sie durch die ganzen Serien und TV-Shows zumindest viele Fehler vermeiden würde.

Sie lehnte sich genüsslich in ihren Sessel zurück und nahm einen Bissen von ihrem Guacamole Toast. Dann nahm sie ihr Handy und öffnete Instagram. Sie sah sich verschiedene Stories an, likte hin und wieder eine und scrollte durch ihren Feed.

Sie hatte mittlerweile an die 150.000 Follower. Die meisten davon waren alleinerziehende Mütter, so wie sie. Eigentlich hatte sie nie vor auf Social Media aktiv zu werden. Sie rutschte da irgendwie zufällig rein.

Natürlich war Alex bewusst, dass sie nicht alles aus ihrem Leben öffentlich machen wollte. Sie begann mit ein paar Posts und Stories über das alltägliche Leben einer alleinerziehenden Mutter. Der Spagat zwischen Alltag, Beruf und Kindererziehung. Das Ganze kam wirklich gut an und viele schrieben ihr, dass es ihnen auch so ging.

Nach ein paar Monaten begann sie dann Fotos oder auch Stories mit ihrer Kleinen hochzuladen. Aber immer darauf bedacht, dass ihr Gesicht nicht gezeigt wurde. Das wollte sie nicht. Ihre Kleine sollte später mal selber entscheiden, ob sie in die Öffentlichkeit will oder nicht.

Sie hatte heute Morgen ihr Frühstück als Beitrag gepostet und lies sich nun die Kommentare durch.

>WOW! Was für ein tolles Frühstück!<

>Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag du TOLLE ❤️<

>Gute Besserung an deine Kleine 🍀<

Sie drückte bei den Kommentaren auf gefällt mir und antwortete einigen davon.

Ein Lächeln huschte ihr über die Lippen. Sie fühlte sich angekommen, glücklich und vor allem akzeptiert.

Ihr Ex-Mann hatte ihr immer das Gefühl gegeben, nicht genug zu sein. Als wäre alles was sie tat, nicht gut genug für ihn.

Aber durch ihre Follower wurde ihr endlich bewusst, dass sie ein guter Mensch sei und das Leben manchmal nicht einfach ist. Und dass das nicht gleich etwas schlechtes bedeutet.

Sie stand auf und schlich wieder zu der Tür neben dem Badezimmer und lauschte. Sie hörte noch immer nichts. Vorsichtig klopfte sie. Es kam aber keine Reaktion.

Ich gebe ihr noch eine Stunde, dann weck ich sie langsam auf, dachte sie.

Sie sah sich eine Dokumentation an. Es ging um ein Mädchen, welches seit 6 Jahren verschwunden war. Mitten in der Nacht wurde es aus ihrem Kinderzimmer entführt. Es gab keine Anzeichen auf ein Gewaltverbrechen oder einen Einbruch. Das Fenster im 1. Stock stand speerangelweit offen. Die Polizei fand keine DNA-Spuren. Weder im Zimmer noch am Fenster. Die Eltern setzten Belohnungen für Hinweise aus, aber es kamen keine. Niemand hatte etwas mitbekommen. Es schien das perfekte Verbrechen zu sein. Das gesamte Umfeld der Familie wurde durchleuchtet. Aber es war nichts zu finden.

Nach einer knappen Stunde war die Dokumentation vorbei. Alex stand auf, räumte ihre Sachen in die Küche und ging zur Tür neben dem Badezimmer und lauschte.

Genug geschlafen, dachte sie.

Sie sperrte die Tür auf, ging hinein und drehte das Licht auf. Ihre Kleine rieb sich die Augen. Das Licht blendete sie.

„Es wird Zeit zum Aufstehen. Du kannst nicht den ganzen Tag verschlafen. Und es gibt einiges zu tun.“

Alexandra zog ihr die Decke weg und riss ihr den Polster unter dem Kopf weg. Dann warf sie ihr ein schönes rosarotes Kleid hin.

„Zieh das an. Ich brauche ein Foto für Instagram. Und beeil dich gefälligst.“

Nach einer halben Stunde rief ihre Kleine, dass sie fertig sei.

Alex ging zurück in das Zimmer. Sie schloss die Metallfessel auf, welche um den rechten Knöchel des Kindes gelegt war, und zog sie am Arm ins Wohnzimmer. Dann setzte sie sich mit ihr auf die Couch. Die Kleine neben sich, legte ihren rechten Arm um sie und verdeckte mit ihrer Hand das Gesicht. Sie nahm ihr Handy und machte ein Selfie von den beiden.

Dann postete sie das Bild auf Instagram.

>Meine arme Kleine! Sie hat noch immer erhöhte Temperatur 😣 Hoffentlich wird es bald besser ❤️<

Dann packte sie das Kind wieder am Arm und zog es zurück in den Raum neben dem Badezimmer. Sie legte ihr wieder die Metallfessel um den rechten Knöchel. Bevor sie ging, warf sie noch ein Toastbrot und eine kleine Flasche Wasser auf den Boden.

„Ich bekomm nachher Besuch. Also halt die Klappe und rühr dich ja nicht. Ansonsten kommst du wieder in den Zwinger.“, fauchte Alex sie an.

Sie warf die Tür zu und sperrte sie wieder ab. Einmal das Türschloss und oberhalb den Schlossriegel.

Marie saß wieder in ihrem Gefängnis. Auf einer Matratze am Boden. Einen Kübel als Toilette daneben. Seit 6 Jahren war sie hier. Entführt aus ihrem Kinderzimmer. Mitten in der Nacht. Dabei dachte sie an nichts Böses, als ihre Tante vor ihr stand.


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Kommentare

Susanne Will
Vor einem Monat

😱mit dem Ende hätte ich nicht gererchnet.